MIES VAN DER ROHE HAUS | BERLIN
ONE MILLION @ ELEMENTARE GEFÄße

Austellung: 2. Juli - 5. November 2023
Symposium: 15. September 2023 im Mies van der Rohe Haus

Uli Aigner ist dabei in der Abschlussdiskussionsrunde um 19.15 Uhr.

Location: Haus Lemke, Mies van der Rohe Haus, Oberseestraße 60, 13053 Berlin

-> www.miesvanderrohehaus.de
-> Edition Mies van der Rohe

-> Informationen zum Symposium: URL oder PDF

Die Ausstellung „Elementare Gefäße. Zwischen Gebrauch und Kontemplation: eine andere Erzählung der Moderne“ im Mies van der Rohe Haus widmet sich der Beziehung zwischen Tongefäß und Raum. Bereits im ursprünglichen Wohnraum des Sammlerehepaars Martha und Karl Lemke spielten Kunstwerke neben den Möbeln Ludwig Mies van der Rohes und Lilly Reichs eine wichtige Rolle – darunter befand sich auch eine Bodenvase des deutschen Keramikkünstlers Otto D. Douglas-Hill. In Fortsetzung dieser Raumauffassung konzentriert sich die Ausstellung auf das Zusammenspiel der wohlproportionierten Räume des Hauses mit elementaren, an der Scheibe gedrehten Gefäßen. Durch ihre sinnliche Prägnanz und „offene Form“ treten sie in Resonanz mit Haus und Besucher.

Im Zentrum steht die bewusste Wahrnehmung des Hausraums während des Aufenthalts. Man erlebt das Haus anders, stellen die aus dem intendierten Gebrauch genommenen, keramischen Gefäße doch gewohnte Verhaltensweisen in Frage – in einem ebenso elementaren Gebäude, das zum Museum modernen Wohnens geworden ist. Da die ausgesuchten Objekte (u.a. von Lucie Rie, Uli Aigner, Matthias Kaiser) – neben ihrer kunstvollen Einfachheit – den Charakter von Gebrauchsgegenständen weiterhin tragen, wecken sie zugleich die Vorstellung, mit ihnen würde das Haus auf gewisse Weise bewohnt. Dabei hinterfragen sie konventionell-bürgerliche Vorstellungen, neuerlich ganz in Eintracht mit dem Konzept des Hauses, denn die Sinne schärfen sich, die Gefäße spiegeln ein ehemals hier mögliches Leben, das sich gewissermaßen selbst beobachtet.

Daneben wird, unterstützt durch die historischen Abbildungen des Begleithefts, eine andere Geschichte der Moderne erzählt – von der Loslösung des keramischen Bauornaments aus der Fassadenfläche, seiner „Wandlung“ zur Gebrauchskeramik, vom besonderen Gebrauch der Dinge, der Konstituierung des modernen Raums im Vollzug des Wohnens. Das Erleben der Konkretheit des Aufenthalts im Wechselspiel von Geschichte und Gegenwart macht den Aufenthalt für die Besucher der Ausstellung zu einem raumerforschenden Erlebnis: es erlaubt den Nachvollzug von Mies van der Rohes Konzept eines kontemplativen Raums – mit wenigen Gegenständen, in Korrespondenz gesetzt mit dem Schauspiel der Natur.

Bei der Entwicklung eines modernen Formverständnisses und Gestaltungswillens stellt die Keramik ein zentrales Moment dar. Ausdruck eines spezifischen Materialwissens und technischen Könnens, vermittelt die getöpferte Form zwischen Tendenzen der Industrialisierung und Rationalisierung. Insbesondere der Blick nach Asien – etwa durch französische Kunstkeramiker ab der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Secessionisten und die Wiener Kunstgewerbeschule sowie Meisterkeramiker wie Lucie Rie, Bernard Leach, Hans Coper oder die keramische Werkstätte des Bauhauses – lässt ein differenziertes, heute womöglich verloren gegangenes Verständnis einer Formkultur zwischen Kunst und Kunsthandwerk, Neuerung und Beharren auf dem Weg zu einer neuen Wahrnehmung eines modernen Wohn-Alltags zu.


EDITION MIES VAN DER ROHE

Rotierende Quadrate. Uli Aigner kreiert Tassen, Schalen und Teller nach architektonischen Details des Mies van der Rohe Hauses (Haus Lemke Berlin). Die Kanten der Platte nehmen das Profil des Stahlrahmens der Fenster im Haus Lemke auf.

Entwürfe für Geschirr von edition Mies van der Rohe, 19.01.23


Gerade heute, da eine gewisse Rückbesinnung auf traditionell-handwerkliche Werte – nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem „Material Turn“ – eingesetzt hat, ist der auf der Scheibe gedrehte Ton zum schillernden Thema geworden. Stellt die Erfahrung von Gefäßen als Gebrauchsgegenstände und Medien einer „modernen Elementarität“, also einer Reformkultur des Lebens jenseits hermeneutisch-semantischer Verwirrungen nach Ende der Stilform, dar, so fragt das Symposium nach den historisch-theoretischen Hintergründen: Welche Rolle spielt der formal-elementarisierte Gebrauchsgegenstand in einer ornamentlosen Zeit? Wie erhält der moderne Raum Gestalt und Sinn durch seinen Gebrauch; welche Bedeutung kommt seiner Ausstattung zu? Wie verlaufen dabei die Trajektorien zwischen Kunst, Handwerk und Technik? Wie verläuft die Entwicklung der Keramik vom Fassadenschmuck zum Gegenstand im Raum als Teil der modernen Formkultur und des Raums als Thema der Architekturtheorie?

Solche und andere Fragen sollen bei diesem interdisziplinären Symposium mit Gästen aus Architektur, Kunstgeschichte, Philosophie, aber auch mit Keramikkünstlern diskutiert werden, zu denen u.a. Günter Figal, Christian Witt-Döring, Uli Aigner zählen sollen. Neben den ausgewählten Objekten der Ausstellung selbst, soll die Einbeziehung philosophischer Konzepte, theoretischer Schriften und historischer Grundlagen in Form einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung die „Erfahrung des Gebrauchs“ zwischen Mensch, Objekt und Raum als Einheit betrachten helfen und neue entwickelte Raumvorstellungen der Architektur mit mit der Elementarisierung der Form in der Moderne zusammenführen: Raum und Objekt werden in einen Wirkungsraum gesetzt und so die andere Geschichte einer spezifischen Moderne erzählt, in der Kontinuität und Bruch, Sinn und Form, Gebrauch und Kontemplation „zusammenfallen“. Eine Begleitpublikation ist geplant.


Ausstellungsansichten